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eng wand sich die Treppe abwärts, bis sie hart vor einer Felswand plötzlich ein Ende hatte. Nach drei Hammerschlägen öffnete sich auch diese, und Wendelin ward von seinem kleinen Führer in einen großen Raum gezogen, vor dessen blendender Helle er einige Augenblicke die Augen schließen mußte. Als er sie wieder öffnete, sah er sich in einem hochgewölbten Felsensaal mit wunderbar schimmernden Säulen. Hunderte von Grubenlichtern und Tausende der schönsten, feingeschliffenen Edelsteine hingen an langen Goldketten von der Decke und den Säulen frei herab. Sie spiegelten sich in den mannigfachsten Farben in den wie Kristall schimmernden hohen Wänden und verbreiteten dadurch strahlenden Glanz, als ob die schönsten Sterne direkt vom Himmel in diese Tiefen hinabgesunken seien.

Als Wendelin, sprachlos vor Entzücken, weiter um sich schaute, sah er rings an den leuchtenden Wänden winzige Stühlchen aus Silber stehen, und auf erhöhtem Platz entdeckte der Ueberraschte eines von purem Golde, das von rotseidenem Baldachin überdeckt war. Er wollte eben eine Frage tun, als Heinzelmännchen flüsterte:

„Bleib’ nur stehn,
Wirst schon sehn.“

Da nahten plötzlich Hunderte solcher Männlein wie sein kleiner Gönner, jedes ein Grubenlichtchen und ein Hämmerchen am Wämschen tragend. Fröhlich sangen sie:

„In felsigen Gründen
Voll Zacken und Schründen
Wir hackten und schliffen,
Wir schürften und griffen.
Für jetzt ist beendet das saure Werk,
Drum freut sich des Ausruh’ns der Heinzelzwerg.“

Da kam von der anderen Seite ein ähnlicher Zug winziger Männlein, die ebenfalls sangen:

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipzig: Leipziger Graphische Werke AG, 1927, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_145.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)