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„Türü – türo – tüu –
So höre, gute Fru, –
O höre, hör’ mir zu,
Türu – türo – tüu.“

Als Frau Irmela sich erstaunt hinausbeugte, – wippte Frau Drossel gar wichtig mit dem Schwänzchen und schmetterte:

„Türitri – türio – türiei –
Sind im Walde die törichten zwei,
Sind gefangen und wünschen sich frei, –
Türitri – türio – türiei.“

Da ward Frau Irmela sehr erschrocken und seufzte laut: „Ach, wenn du mir den Weg zeigen willst, liebe Drossel, will ich mit dir gehen, um die Verlorenen zu suchen.“

Schnell warf Frau Irmela dem Vogel einige Atzung hinaus, versah sich selbst mit dem Nötigsten, steckte auch ihren goldenen Patenbecher, ein ihr besonders wertvolles Andenken, zu sich und eilte bald, unbekümmert um Frau Barbes Zetern, in den Wald.

Schwerer und schwerer ward Frau Irmelas sonst so leichter Schritt, als sie viele Stunden gewandert war, denn ihr hoffender Mut schwand, da alles Rufen, Suchen und Forschen vergeblich blieb.

Da stieß sie einen Ruf des Erstaunens aus, denn dicht vor ihr schimmerte es blau durch das Gebüsch, und als Irmela das Grün zurückbog, fiel ihr Blick auf eine schöne Frauengestalt, die eben beschäftigt war, ein umgebogenes Bäumchen wieder aufzurichten. Sie schaute mit milden blauen Augen zu der Wandermüden auf, die ihr vertrauensvoll von ihrem Gram erzählte und sie angstvoll fragte, ob sie die Kinder nicht gesehen habe.

Die blaue Frau, die natürlich niemand anderes war als die Treue, erzählte der Betrübten, was sie von den Kindern wußte.

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_127.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)