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Scheu betrachteten die Geschwister die rätselhafte Frau, doch Sitta flüsterte: „Laß uns fort, Täubchen wartet.“

Wirklich ertönte auch eben das „Krrruh – kurruh – Kinder lauft zu!“ warnend, fast ängstlich.

Als die gelbe Frau das Vorhaben der Kinder erkannte, lachte sie: „Es scheint mir fürwahr possierlich, daß zwei Kinder nicht schnell genug heim kommen können, um ihre Strafe zu empfangen.“

„Wir haben sie verdient und wollen sie gern tragen,“ erklärte Sitta jetzt mutig, „und unsere Mutter hat uns lieb, sie darf nicht noch mehr um uns weinen.“

„Glaubt ihr wirklich, daß eure Stiefmutter um euch weint?“ fragte die Gelbe spöttisch, „wer sprach euch denn solches Märlein vor?“

„Die gute blaue Frau, die Treue, hat es uns gesagt,“ bekräftigte Rainer jetzt bestimmt, „und was die sagt, das glauben wir.“

„O, ihr Leichtgläubigen!“ Die Unbekannte sprach es, dabei listig von der Seite blinzelnd. „Glaubt mir, eure Stiefmutter ist froh, daß sie euch los ist.“

„Aber die Treue sagte doch ganz anders; nein, du gelbe Frau bist garstig, du weißt gar nicht, wie gut unsere Mutter ist,“ antworteten beide.

Doch die Unbekannte schien nicht empfindlich zu sein; sie versuchte die blonden Köpfe zu streicheln und raunte: „Ihr verblendeten Kinder, wenn ihr mir nicht glaubt, werdet ihr euer Wunder erleben.“

So und ähnlich fuhr sie fort, während sie den Kindern folgte, bis diese wieder in ihrer guten Meinung wankend wurden.

„Ja, wer weiß, vielleicht hat diese Frau doch recht,“ dachten sie endlich. Und als sie noch ein Stück Weges in ihrer Begleitung

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_121.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)