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die Geschwister wenige Minuten später am andern Ufer wieder aus dem Nachen, um sich zur Heimkehr zu rüsten. Sie wollten nun so schnell wie möglich wieder zu Hause sein, hatten sie doch die Scheu vor der Heimkehr fast gänzlich verloren.

Die schöne Frau gab ihnen noch ein Stück Weges das Geleit und beschrieb ihnen den Weg genau. Bevor sie sich von ihnen verabschiedete, zeigte sie auf den ihren schön geformten Arm umschließenden eigenartig gearbeiteten Goldreif, indem sie sprach:

„Seht hier den Reif von echtem Golde,
Wie fest umschließt er meinen Arm,
Ein Sinnbild wahrer echter Treue,
Die gleich sich bleibt in Freud’ und Harm;
Die fest auch glaubt an gutes Wollen,
Dem Mißtrau’n wehrt, der bösen Saat.
Gelobt es mir bei diesem Reifen,
Daß ihr voll Treu’ der Mutter naht.“

Bei diesen Worten nahm sie die Hände der Kinder, sie auf dem Goldreif vereinend, und beide gelobten es freudigen Herzens. Hierauf klatschte sie in die Hände. Da kam ein schneeweißes Täubchen angeflattert, das sich auf die Schulter seiner Herrin setzte. Erstaunt sahen es die Kinder, aber noch erstaunter waren sie, als die Treue in die Luft greifend, plötzlich zwei lichtblaue Bänder in der Hand hielt, die sie leicht um Täubchens Füße schlang. Jedem Kinde eines dieser langen Bandenden in die Hand gebend, sprach sie:

„Band in lichter Bläue
– Zeichen wahrer Treue –
Soll euch der Führer sein;
Durch des Täubchens Schwingen
Soll es heim euch bringen,
Eh’ der Abend bricht herein.“

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)