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„Warum hast du lauter blaue Blumen hier in deinem Garten?“ fragte Rainer endlich, seinen Blick zutraulich zu der Frau emporhebend, die ernst lächelnd antwortete:

„Reicher Segen blauer Sterne
Blüht in meinem Garten immer,
Blau ist das Symbol der Treue,
Denn sie liebt den blauen Schimmer.“

Bald standen sie an einem Weiher, dessen Wasser so klar war, daß man bis auf den Grund sehen konnte.

Verwundert bemerkten es die Kinder, und Rainer fragte: „Was ist das für ein Wasser?“

Da blickte die schöne Frau lange und ernst in die Kinderaugen, und in ihrer Antwort lag ein vorwurfsvoller, eindringlicher Ton, als sie, auf das Wasser zeigend, sprach:

„Ach, Tränen sind es, ohne Zahl,
Die auf der Welt in Herzensqual
Von zweiten Müttern sind vergossen,
Wenn Kinderherzen fest verschlossen
Und trotzig abgewendet blieben,
Statt solche Mütter auch zu lieben,
Auf daß sich ihre Herzen einen,
Und sie nicht ferner Tränen weinen.“

Rainer und Sitta empfanden den Vorwurf, so daß sie beschämt in die klare Flut schauten und dabei vor sich hin seufzten: „Ach!“

So leise es den Kinderlippen auch entschlüpft war, die Treue hatte es dennoch vernommen, so daß sie nach dem Grunde des Seufzens fragte.

Da sahen die Kinderaugen scheu zu ihr auf, und stockend, von heißen Tränen unterbrochen, gestanden die Geschwister der gütigen Fee alle ihre Versäumnisse gegen die Mutter und erzählten, warum sie dem Elternhause entlaufen waren. Zuletzt

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_115.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)