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Zu spät ward Balduin inne, daß ein Zauberer nicht mit einem gewöhnlichen Schwert überwältigt werden konnte. Er schlug zwar noch einmal los, doch wie eine Katze sprang der Zauberer empor, umkrallte den Hals des wie wahnsinnig mit dem Schwert um sich schlagenden Angreifers und rief wutschnaubend:

„Du böser, hinterlist’ger Schalk,
Nimm deinen Lohn und – sei ein Falk’!“

Mit Grausen fühlte Balduin sich gedankenschnell in den genannten Vogel verwandelt, der gleich darauf mit einem Klageschrei durch das einzige kleine Fenster davonflog.

Was half es dem armen Verzauberten nun, daß er nicht nur bereute, so eigenmächtig und tollkühn vorgegangen zu sein, sondern auch den Bruder verlassen zu haben.

Nun flog der Falke umher, um den Bruder zu warnen und ihm den Goldfasan zu bringen.

Endlich entdeckte er den Gesuchten unter den Bäumen. Er flog dicht zu ihm hin und rief:

„Bruder, lieber Bruder mein,
Gehe nicht ins Schloß hinein,
Eh’ das Zauberschwert ist dein!“

Immo fuhr erschrocken aus seinem Sinnen auf. Ach, er begriff alles. Voll Mitleid sprach er dem armen Bruder Mut zu und sagte ihm, was Springmännchen ihm versprochen. Der Falke hörte aufmerksam zu. Dann öffnete er eine seiner Krallen, ließ den kleinen Zaubervogel dicht vor Immo hinabgleiten und sprach:

„Nimm ihn ohne Sorgen,
Halte ihn verborgen.“

Immo nahm den Schatz mit Seufzen. Darauf flog der Falke still in den nächsten Baum.

Da war es Immo, als ob ein Ton wie das Klingen eines Glasglöckleins an sein Ohr schlüge. Vielleicht war es irgendein

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_097.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)