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Auge von dem eigenartigen Anblick wendend: ihm den Rücken zukehrend, saß an einem Herd ein Mann, dessen riesengroßer Höcker ihn sofort als den Zauberer erkennen ließ. Er rührte unablässig in einem über dem Feuer hängenden Kesselchen, in dem irgendeine Masse kochte.

Jetzt sah Balduin deutlich, wie der Zauberer von Zeit zu Zeit aus einer Truhe eine Handvoll Gold nahm, das er in den Kessel tat. Dabei hörte der Lauscher ihn murmeln:

„Brodle, Goldbrei, zische, zische,
Daß sich alles gut vermische:
Löwenzahn und Fingerhut,
Schierling, Gold und Drachenblut.
Silber, Kupfer, nochmals Gold,
Daß das Werk gelingen sollt’.
Schmiede für zwei Jungfräulein
Aus dem Brei zwei Schlößlein fein,
Leg’ eins vor jed’ Mündlein schwer –
Daß das Singen es verwehr’. –
Brodle, Goldbrei, zische, zische –
Daß sich alles gut vermische.“

Gierig suchte der Alte wieder in der Truhe, doch er fand augenscheinlich kein Gold mehr, denn er murmelte abermals:

„Truhe ist von Golde leer –
Braucht’ ein Klümplein Gold noch sehr, –
Rotes, goldnes Glitzergold –
Lohnt’s gern dem, der’s bringen wollt’.“

Da kam Balduin eine kühne Idee: Wie, wenn er den Zauberer durch anscheinende Gefälligkeit zu überlisten suchte? Vielleicht kam er dadurch leichter zum Ziel? Gold besaß er ja genug. Zwar widerstrebte diese Handlungsweise seinem ritterlichen und kampfeslustigen Sinn, da er sie hinterlistig nennen mußte und er am liebsten dem Feinde gleich in offenem, ehrlichem

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_095.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)