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Hannchen konnte kaum dem guten Osterzwerg danken, denn das Ei rollte so hurtig weiter, daß sie laufen mußte, als ob sie das Osterhäslein selbst gewesen wäre, um das rote Ding nicht aus den Augen zu verlieren.

Ehe Hannchen wußte, wie es zuging, hatte sie mit ihrem seltsamen Führer die Hütte ihrer Mutter erreicht. Das Ei hüpfte sogleich über die Schwelle in das Stübchen hinein gerade vor die Füße von Hannchens Mutter, die eben von der Arbeit heimgekehrt war und es kaum wagte, das bunte Ding anzufassen.

Als Hannchen nun folgte und der Mutter ihre Erlebnisse berichtete und ihre Ostereier zeigte, da schlug die Frau die Hände über dem Kopf zusammen, immer rufend: „Hannchen, Hannchen, mein Lebtag hab’ ich so etwas nicht gehört!“ Dann legte sie die zwei Eier ganz besonders sorgfältig fort und sagte: „Die zwei darfst du nimmer aufschlagen; die heben wir zum Andenken auf. Die andern magst du essen, sonst nimmt’s gar der Osterhas’ übel.“

Am anderen Morgen wurde Hannchen durch das Geläut der Osterglocken geweckt. Daher kleidete sie sich schnell an, um zur Kirche zu gehen. Die bunten Eier lagen vor ihr, so daß sie sich wieder daran erfreuen konnte.

Als aber die Mutter nochmals nach den beiden andern Eiern sah, da schrie sie vor Entzücken und Erstaunen auf, denn die Eier hatten sich in Gold verwandelt.

Nun brauchten Mutter und Kind keine Not mehr zu leiden. Sie taten aber beide viel Gutes, besonders alljährlich in der Osterzeit in dankbarem Gedenken an jenen Ostertag, der ihnen einst so viele Freude gebracht hatte.

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_081.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)