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sollte er erfahren, was er tun mußte, um die Verzauberte zu erlösen? Wohl war die alte Ute schon öfter heimlich gekommen, vermutlich, um sich allerlei gute Leckerbissen von Hanko zustecken zu lassen; doch so aufmerksam Albrecht auch gelauscht, nie hatte er aus beider Gesprächen etwas Auffälliges vernommen. Den Raben vermochte er nirgends zu entdecken, so oft er ihm auch die versprochenen Knochen in sein Kammerfenster legte.

„Aber was sollte der schwarze Vogel denn auch noch erzählen?“ dachte Albrecht. „Er hat sicherlich ausgeplaudert, was er wußte. Auch wird er längst weit, weit fort sein.“

Albrecht war nach solchen Erwägungen am Abend des ereignisreichen Tages recht niedergeschlagen und ratlos, zumal er merkte, daß Hanko ihm nunmehr feindlich gesinnt war. Sicherlich würde dieser nun noch vorsichtiger sein. Er hatte sich mit finsteren Blicken sogleich zur Ruhe begeben, dem Küchengehilfen befehlend, für Ordnung in der Küche zu sorgen.

Die flinken Mägde halfen Albrecht gern, und so konnte denn auch dieser bald sein in entlegenem Turm befindliches Kämmerlein aufsuchen.

An Schlaf mochte er noch nicht denken, da so viele Gedanken auf ihn einstürmten, er auch in Unruhe war, die alte Ute könne gerade an diesem Abend wieder mit Hanko zusammentreffen. Vielleicht hatte der Koch sich nur zum Schein so müde gestellt.

Eben legte Albrecht wieder einen Knochen in sein Fensterlein, dabei in den Abend hinausblickend, als er Flügelschlag vernahm und gleich darauf einen Freudenruf ausstieß, denn vor ihm auf dem Fenstersims saß der Rabe. Er pickte ein paarmal eifrig an dem Knochen, als ob er nur darum gekommen sei, dann schnarrte er:

„Frau Ute hat den Fuß verstaucht,
Heut’ niemand sie zu fürchten braucht.

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_066.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)