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Doch alles Abreden half nichts, Albrecht ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Der Ohm gab ihm noch alle gewünschte Auskunft und ließ ihn endlich ziehen.

Albrecht von Löwensprung war ein armer, verwaister Verwandter des Grafen, der ihn wie einen jüngeren Bruder hielt und im Grunde Freude an dessen kühnem Jugendmut hatte. Er geleitete Albrecht mit einigen Knappen eine Tagereise weit, dann begehrte der Jüngling, allein und in einfachstem Wams zu Fuß weiter zu wandern. So geschah es.

Viele Stunden war er gegangen. Die Sonne neigte sich schon zum Untergang, und Albrecht hoffte, noch vor Abend den Ausgang des Waldes und das Ziel seiner Wanderung zu erreichen. Seine Hoffnung, irgendwo eine Quelle zu entdecken, erfüllte sich nicht.

Die Vögel hüpften in den Zweigen, nach einem Plätzchen für die Nachtruhe suchend, und äugten neugierig hinab auf den einsamen Wanderer. Dieser rastete endlich, müde und durstig. Er hatte nur hin und wieder einige reife Erdbeeren gefunden.

Da, ganz dicht an seinem Platz entdeckte er etwas, das er noch nicht gesehen. An einem eigenartig gewachsenen Strauch gewahrte er eine einzelne Beere, die ihm durch ihr absonderliches Aussehen auffiel. So groß wie eine Kirsche, hing sie auch an langem Stiel wie solche, schillerte aber in allen Farben und war durchsichtig wie Glas. O, sie mußte saftig und durststillend sein!

Ehe Albrecht noch überlegte, was er tat, hatte er die Beere schon im Munde. Sie schmeckte köstlich; er fühlte sich merkwürdig erfrischt.

Da plötzlich saß dicht vor ihm auf dem nämlichen Strauch ein Rotkehlchen, das anmutig zwitscherte.

Doch was war das? Albrecht verstand aus diesem Vogelsang ja plötzlich Worte:

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)