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„Wie?“ herrschte sie den Koch an, „du wagst, mir so zu antworten? Da, nimm dein ,treffliches’ Gericht!“ Und krach – flog der Teller mit dem Essen direkt vor Hankos Füße. Marinka aber verließ, ohne den Gemaßregelten noch eines Blickes zu würdigen, stolz wie eine Königin das Gemach.

Hanko jedoch murmelte zähneknirschend: „Wilde Marinka, warte, das gedanke ich dir! Wohl zum letztenmal kränktest du mich ungestraft.“


Wenige Stunden später saßen die drei Freier ganz heimlich in eifriger Beratung beisammen.

Die Gemütlichkeit des Festes war durch Marinkas ungezogenes Benehmen, dessen Zeugen die Gäste zum Teil gewesen waren, recht gestört worden.

Marinka war dann ohne irgendwelche Entschuldigung einfach in ihrem Zimmer geblieben und nachher fortgeritten. Graf und Gräfin hatten vergebens versucht, ihren Zorn und ihre Empörung über der Tochter Benehmen zu verbergen, zumal Hanko sogleich um seine Entlassung bat.

Ein Goldstück des Grafen und dessen Zureden schienen den Gekränkten zwar zu beruhigen, doch hatten die Gäste sich bald in ihre Gemächer zurückgezogen, um den Fall noch zu besprechen. Ihre gute Meinung von der Grafentochter war mit einem Schlage dahin. Sie waren alle drei einmütig entschlossen, auf die Werbung um die „wilde Marinka“ zu verzichten. Nur wollten sie jeder erst einen schicklichen Vorwand suchen, um den Grafen Udo von Wolfenstein nicht durch plötzliche Abreise zu kränken.

„Nein,“ sprach der erste Freier, der schon etwas bejahrte, aber sehr begüterte Ritter Dirk von Dirksberg, „wie konnte ich so töricht sein, um solch ungeberdiges Fräulein werben zu wollen. Mord und Totschlag hätt’ es da bald auf meiner Burg gegeben, wenn ich bedenk’, daß das spitze Zünglein der ‚wilden Marinka‘

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_053.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)