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Und nun stand sie kaum wieder auf den Füßen, als sie in der geballten Faust drohend den Krückstock erhob und der längst nicht mehr sichtbaren Reiterin kreischend nachrief:

„Wilde Marinka! – Stachlicher Dorn! –
Jagt auch dein Roß, als fühlt’s Gerte und Spor’n,
Ist doch noch schneller mein’ Rache und Zorn. –
Wilde Marinka, sei jetzt auf der Hut:
Kränkst du mich nochmals, geht’s nimmer dir gut.
Rächt sich dann furchtbar die ,Alte’ – die Ut’!“

Hätte Marinka diese Worte vernommen und die bösen Blicke der Alten sehen können, wäre ihr das Lachen vielleicht vergangen. So aber war sie übermütig und guter Dinge. Sie lachte vor sich hin; es klang silberhell, und ihre Augen blitzten dabei wie die eines Kobolds, als sie ihr Roß an der Mähne zupfte und fragte: „Hast du’s geseh’n, Salto, was du angerichtet? Es war doch zu lustig, ha, ha, ha, wie die alte Ute beinahe einen Purzelbaum schlug. Aber gräm’ dich nicht, mein braves Tier; weißt ja, die Katzen fallen immer weich, und die alte Ute, von der die Leute munkeln, daß sie eine Hexe sei, soll sich des nachts in ein Kätzlein verwandeln können.“

Salto spitzte die Ohren und nickte mit dem Kopfe, als ob er die Worte verstanden hätte.

Und recht hatte Marinka: der alten Ute, die so einsam in ihrem Waldhüttlein hauste, ging jeder gern aus dem Wege. Ja, man bekreuzte sich bei ihrem Nahen noch eifriger als bei dem der „wilden Marinka“.

Niemand begriff, daß Marinkas Vater den Sohn der alten Ute als Koch angenommen hatte, noch dazu, da er ganz verwachsen war.

Aber freilich, in seiner Kunst war er Meister, und der Graf schätzte ein gutes Mahl gar sehr.

Hanko, so hieß der Koch, wußte, daß er bei seinem Herrn in Gunst stand. Die Küchenjungen und das Gesinde merkten

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)