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Dienst und dergleichen. Er blickte ihr noch lange nach, als sie sich schon längst von ihm verabschiedet hatte.

„Braves Mägdelein,“ murmelte er. „Ich hoffe, ich sah dich nicht zum letzten Male.“ Dann eilte er den Knappen nach.

Magdalies aber besah sich die buntschillernde Feder und vergaß über dem Anschauen fast, die fehlenden Beeren nachzupflücken.

Die Bäuerin empfing Magdalies am Hoftor, wo sie nach der Magd ausschaute. „Bleibst lang heut’, Mädel,“ sagte sie hart. „Hast wohl gar geschlafen? Deine Beerenernte ist heut’ gering.“

Magdalies erwiderte nur sanft: „Nein, Bäuerin, warum sollt’ ich am hellen Gottestag schlafen? Dazu ist die Nacht gut.“

Sie hätte der Bäuerin wohl ganz ruhig von ihrem Zusammentreffen mit dem Ritter erzählt; doch nun wagte sie es nicht, denn sie fürchtete deren Spott und wollte schnell an ihre Arbeit gehen.

Aber die scharfen Augen der Bäuerin erspähten die im Mieder verborgene Feder, nach deren Herkunft sie fragte.

Eine Unwahrheit hätte Magdalies um keinen Preis gesagt, denn sie wußte sehr wohl, daß auch eine sogenannte Notlüge eine Sünde ist, daher berichtete sie endlich zögernd von ihrem Zusammentreffen.

Stirnrunzelnd, die Arme in die Seiten gestemmt, stand die Bäuerin wie eine Richterin vor dem Mädchen, dessen Schönheit neben ihrer eigenen Erscheinung besonders zur Geltung kam, wie sie mit Aerger fühlte.

„Bist ja eine saubere Dirn’!“ schalt sie: „Derweilen ich mich daheim schinden muß, tust du schön mit so einem scharwenzelnden Ritter, der meine Erdbeeren verzehrt und sie königlich mit einer wertlosen Feder bezahlt; Ha, ha, ha, ha, ein netter Freund des Königssohnes!“

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_031.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)