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Vor der Königin lagen nun des Krämers Waren ausgebreitet. Sie wählte für jede ihrer Dienerinnen ein Stück; das schönste für Elligod, indem sie sagte:

„Für jeden sei es eine Kleinigkeit,
Daß nicht vergeblich her du kamst so weit.“

Der Krämer verneigte sich abermals dankend; dann sprach er demütig: „Und hätte ich die Schätze Arabiens bei mir, fürwahr, mich dünkt, für eine Königin, wie Ihr es seid, wären sie mir noch zu schlecht.“

„Mir frommt nicht Schmuck noch bunter Tand,
Wär’ er auch selbst aus fernstem Land,“

lächelte Goldwina trübe.

Ihr Blick wandte sich zur Seite, wo von einem seidenen Tuch halb verhüllt die Zauberharfe lehnte. Der Krämer war ihren Augen gefolgt. Jetzt rief er lebhaft: „Oh, Frau Königin, welch’ kostbares Instrument habt Ihr dort! Ich würde es Euch mit Gold aufwiegen; sprecht, um wieviel dürft’ es Euch feil sein?“

Ein verweisender Blick traf den Fragenden, und fast herbe lautete die Antwort:

„Meine Harfe Klingehold
Nimmermehr ich missen wollt’,
Denn seit ich mein Kind verlor,
Ich zum Trost sie mit erkor.“

„Verzeiht meine Frage, edle Königin,“ suchte der Krämer seine Kühnheit gut zu machen, „aber ich kenne jemand, der ein halbes Königreich für solche Wunderharfe geben würde. Doch ich vergaß über meiner vorwitzigen Frage fast, Euch noch einige besondere Dinge zu zeigen.“

Er zog bei diesen Worten eine kleine Goldkapsel unter seinem weiten Mantel hervor, die er geöffnet Goldwina überreichte. In der Kapsel blinkte nur eine goldblonde Locke. –

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_022.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)