Seite:Märchen (Montzheimer) 020.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Diesem aber schien sein Kauf große Freude zu bereiten; er war fröhlich und wohlgemut.

Am anderen Morgen ging die Sonne eben auf, als ein Krämer mit seinem Packen vor Goldwinas Garten stand; aufmerksam nach dem Eingang spähend. Bald war der gefunden, doch kein lebendes Wesen rings zu erblicken. Es war ein herrlicher Anblick, wie die Sonne, in Millionen Tautropfen sich spiegelnd, Baum und Strauch vergoldete. Der Krämer blieb, in Bewunderung versunken, einige Augenblicke stehen.

Da horchte er auf: Vielstimmiger Gesang war an sein Ohr gedrungen. Er schritt rüstig der Richtung nach, bis die weißen Marmorsäulen des Schlosses durch das Grün schimmerten. Und da: Auf dem grünen Rasenteppich vor der Säulenhalle bewegte sich eine Schar junger Mädchen, die einen anmutigen Reigen schlingend, den Nahenden nicht bemerkten. Jetzt stellten sie sich, das Antlitz der Säulenhalle zugewandt, zu einer anmutigen Gruppe zusammen und sangen, daß es harmonisch zu dem Manne herübertönte:

„Wir grüßen dich, du holder Morgen!
O Licht, verbanne alle Sorgen,
Und laß in deinem goldnen Schein
Auch unsre Herrin fröhlich sein.
Heil Königin Goldwina dir!
Du aller edlen Frauen Zier!“

Eines der Mägdlein, das den Gesang auf der Laute begleitet hatte, entdeckte jetzt den Lauscher und machte ihre Gefährtinnen auf diesen aufmerksam.

Doch schon stand der Krämer vor den Erschrockenen und bot, das Käpplein tief ins Gesicht gezogen, ihnen seine Waren an. Die Lautenspielerin, die niemand anders war als Elligod, musterte den Eindringling zuerst mißtrauisch, doch endlich fand auch sie Gefallen an dem bunten Kram.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_020.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)