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das Gehölz zu Ende war und er umherblickte, gewahrte er ein prächtiges Schloß. Auf sanft ansteigendem Hügel, von grünen Palmengärten umgeben, ragten seine weißen Marmorsäulen hoch empor, daß sie im lichtflutenden Sonnenschein weiß aufleuchteten.

Er glaubte ein Paradies vor sich zu sehen. So ähnlich mußte auch die Heimat seiner Gemahlin beschaffen sein. Jetzt verstand er ihr Heimweh und ihre Fieberträume. Vielleicht fand er ihre Heimat noch.

Wem mochte dieses prächtige Schloß gehören? Es mußte wohl gar das ihm bezeichnete Ziel sein, denn wieder erklang Musik.

König Ringolf erblickte eine von üppigem Schlinggewächs fast ganz verdeckte Pforte, durch die er, sein Pferd am Zügel führend, kurz entschlossen den Garten betrat, immer der Richtung folgend, aus der die Töne zu kommen schienen.

Jetzt hörte er es deutlich: eine Frauenstimme sang eine fremdartige Weise, und als er die Oleanderzweige des nächsten Gebüsches zurückbog, erblickte er unter einer großen Palme die Singende, ein anmutiges Mägdlein.

Das Rascheln des Gebüsches hatte sein Nahen verraten. Mit einem leisen Schrei sprang das Mägdlein auf, als wolle es entfliehen. Doch Ringolf rief: „Bin ein müder Reitersmann, der dir gewiß nichts zu Leide tun will. Entfliehe nicht, unbekannte Jungfrau, ich bitte dich, stehe mir Rede und Antwort. Sage mir wer du bist?“

Die Jungfrau lächelte sanft:

Die Herrin nennt mich Elligod,
Bei ihr steh’ ich in Lohn und Brot.“

„Ein seltsamer Name,“ entgegnete der König. „Aber wer ist deine Herrin?“

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_014.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)