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Nach diesen Worten nahm der Alte eine ausgehöhlte Eichel, schüttete ein weißes Pulver hinein und hub nochmals an:

„Nimm jetzt ganz getrosten Mutes
Nur drei Tropfen deines Blutes;
Mit dem Pulver es vermische,
Daß des Fiebers Glut erlische.“

Kein Wort des Einsiedlers hatte der König verloren, und als dieser in heißem Danke die Hände des Alten ergriff und ihm reichen Lohn verhieß, da entgegnete dieser mit leisem Lächeln:

„Mir frommt nicht Lohn noch Gold hienieden,
Doch du, mein Sohn, zieh’ hin in Frieden.“

– Das Mittel des Einsiedlers hatte gute Wirkung gehabt; die junge Königin ward ruhiger, ja sie fiel sogar bald in festen Schlaf.

Der König fand keine Ruhe. Auf dem ganzen Heimwege und am Lager der Kranken hatte er über alles, was der Alte ihm gesagt, nachgedacht. So ungern er auch gerade jetzt seine Gemahlin verließ, so fest war er doch dazu entschlossen, da er überzeugt war, daß es zu ihrem Nutzen sei, und daß er darum sein Vorhaben nicht hinausschieben dürfe.

Als Feridah fieberfrei erwachte, eröffnete er ihr, daß er eine weite Reise antreten müsse, um etwas zu holen, das ihr Freude machen und ihr Gesundheit bringen werde.

Die junge Königin bat, sie nicht zu verlassen, doch da Ringolf ihr gut zuredete, willigte sie endlich ein, indem sie einen kostbaren Ring vom Finger zog. „Nimm dies Kleinod, das ich einst von meiner Mutter erhielt. Möge es dich, mein Gemahl, stets an dein Weib gemahnen, das für dich betet und die Tage bis zu deiner Heimkehr zählt.“

Der König sah gerührt in die tränengefüllten Augen seiner Gemahlin. Dabei fielen ihm wieder die rätselhaften Worte des Einsiedlers ein:

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_012.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)