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Geheimnisvoll flüsterte der Alte:

„Weht der Wind durch Felsenspalten,
Kann mit ihm ich Zwiesprach’ halten;
Bringt mir Botschaft aus der Welt.
Kommt die Nacht auf dunklen Schwingen,
Kann auch sie mir Kunde bringen
Durch die Stern’ am Himmelszelt.“

Erregt sprang der König auf. „O, Vater Einsiedler, unter den Leuten geht das Gerücht um, du wissest mehr, als alle anderen wissen, weil du hellsehend seiest. Ich sehe, sie haben recht; ich folgte ihrem Rate nicht vergeblich, denn ich weiß jetzt, daß du mir helfen kannst. Meine Gemahlin ist sehr krank, willst du nicht zu ihr kommen oder mir sagen, was ich tun soll?“

Der Alte blätterte in seinem Buche, nickte mehrmals vor sich hin und antwortete:

„Fieber fliegt durch ihr Gebein –
Doch ist’s Fieber nicht allein; –
Müßt vom Heimweh sie befrei’n.“

„Ach, wenn ich nur wüßte, wie ich das könnte!“ seufzte der König. „Wenn du alles weißt, so wirst du auch wissen, daß mir die Heimat meiner Gemahlin unbekannt ist.“ Er erzählte, was er wußte, auch von Feridahs Verlangen nach der Harfe „Klingehold“.

Der Alte wiegte nachdenklich das Haupt, blätterte abermals in seinem Buche und fuhr fort:

„Einer Zauberharfe Klingen
Könnte ihr Genesung bringen.
Scheust du nicht der Reise Plagen,
Wollt’ ich dir den Ort wohl sagen.
Magst du in die Ferne zieh’n,
Krönt Erfolg bald dein Bemüh’n.“

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_010.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)