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Die Harfe der Königin.


Es war einmal ein junger König, der von seinem Volk sehr geliebt wurde, weil er gütig und gerecht gegen seine Untertanen war und für jedermann ein freundliches Wort hatte. Ebenso liebte man seine schöne Gemahlin. Er hatte sie erst vor kurzem heimgeführt.

So recht wußte niemand, woher sie stammte. Man erzählte, der junge König habe sie aus den Händen der Sarazenen errettet, die sie vermutlich aus ihrer Heimat entführt hatten; doch die ausgestandene Angst habe ihr die Sprache geraubt.

In der Tat hatte der König Ringolf den Kreuzzug mitgemacht und sich im heiligen Lande mit Ruhm bedeckt. Auch hatte er dort die zarte Jungfrau aus den Händen der Feinde errettet.

Schön und fein wie eine Prinzessin war sie gewesen, und ihr verzweifelter Blick und ihr stummes Händeringen hatten das Herz des Tapferen gerührt, daß er sie mit eigener Lebensgefahr aus der Schar der Sarazenen befreite. Wer sie war, vermochte sie nicht zu sagen, da der Schreck ihre Zunge gelähmt hatte. So nahm Ringolf die Jungfrau mit in seine Heimat, wo er sie zur Gemahlin nahm.

Allmählich kehrte ihre Sprache ein wenig wieder, und zwar dann, wenn sie Lautenspiel vernahm. Der König schenkte ihr darum eine kostbare Laute, die sie trefflich zu spielen verstand. Sie tat letzteres, wenn ihr Gemahl bei ihr war, besonders gern,

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_007.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)