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Darstellungen, oft genügt ihm als künstlerisches Thema ein kleiner Ausschnitt der Natur, ein stiller Thalweg, eine waldige Schlucht, eine Gruppe von Bäumen, die das Gemäuer eines ländlichen Brunnen überschattet; die einfache Stimmung idyllischer Ruhe ist der vorherrschende Charakter der landschaftlichen Scenen. Wenn er einmal, wie in der Gegend am Monte Serrone während eines Gewitters, der Landschaft einen bewegteren Charakter gibt, so ist das eine Ausnahme, bei der sich sogleich in der ganzen Art der Behandlung zeigt, dass der Künstler etwas ihm Fremdartiges versuchte; das Gewitter macht in der That einen Eindruck, als habe es sich nur wie ein seltsamer Zufall auf das Gebiet seiner Darstellungen verirrt. Mehrere der vorzüglichsten italienischen Landschaften Richter’s fehlen leider unter den folgenden Blättern; die besonders schöne Ansicht von Civitella und einige andere sind niemals vervielfältigt worden.

Sehr bezeichnend für Richter’s ganze künstlerische Anschauungsweise ist die Art, wie er die Staffage behandelt; fast überall tritt sie mit sehr charakteristischer Bedeutung, als etwas für die Landschaft ganz Wesentliches auf. In der Hervorhebung und eigenthümlichen Behandlung derselben bekundete sich von Anfang eine Neigung des Künstlers, die ihn später, frei entwickelt, der Genrekunst zuführte. Während seines Aufenthalts in Italien empfing er von Schnorr auch in diesem Punkt der landschaftlichen Darstellung bestimmende Einflüsse. „Zum Bild von Amalfi,“ erzählt v. Quandt[1], „entwarf ihm Schnorr eine Gruppe, in welcher alle Heiterkeit und Schönheit, alles Licht und Leben der südlichen Natur, die über die ganze Landschaft ausgeströmt sind, wie in einem Brennpunkt sich vereinigen. Noch bewahrt Richter diese Zeichnung seines Freundes wie ein Heiligthum auf und er hat mir oft gesagt, dass diese Skizze den entscheidendsten Einfluss auf ihn hatte, denn er fühlte nun deutlich, dass der Natur ohne Menschen der Schlussstein fehlen würde, und, möchte man sagen, dass eine Landschaft ohne menschliche Gestalten ein Räthsel ohne Auflösung sei, denn in der gegenseitigen Beziehung erklärt sich wechselseitig Natur und Menschenleben.“ Freilich darf man einwenden, es komme nur auf die Art der künstlerischen Auffassung und Behandlung an, um die landschaftliche Natur auch für sich allein zum vollsten Ausdruck einer seelischen Stimmung zu machen, und das Geheimnissvolle, das sich in diesen Ausdruck mischt, kann die Kunst ja wollen. In der historischen Landschaft hatte die


  1. Kunstblatt. 1848.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Landschaften von Ludwig Richter. Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Richter_Landschaften.pdf/7&oldid=- (Version vom 12.12.2020)