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Noch entbehrte er jeder bedeutenderen Anregung und Leitung. In Dresden, wo Richter 1803 geboren war, hatte das akademische Zopfthum noch immer die Herrschaft, und mit der Landschaftsmalerei war es fast schlimmer bestellt, als mit jedem anderen Kunstgebiet. In dem steifen Schematismus des Componirens, in der schablonenmässigen Behandlung aller landschaftlichen Formen ward das Erstaunliche geleistet. „Einer meiner Lehrer,“ erzählt Richter, „sagte: Wenn Sie Baumschlag machen wollen, so nehmen Sie einen Streifen Papier, brechen ihn zusammen, biegen die Spitzen herum und setzen diese Formen mit drei, vier, fünf und sechs Spitzen in Gruppen neben einander, das gibt Baumschlag. Dito macht man auch Gras. – Ach, gütiger Gott, ich war Tags vorher im Plauenschen Grunde gewesen und war vor Wonne fast aus der Haut gefahren, wie ich am Mühlgraben und in den Wiesen im hochaufsprossenden Gras die prachtvollsten Kleeblüthen, Butterblumen und Pechnelken, Gundermann und tausend andere Formen und Farben aufblühen gesehen hatte. Ich hatte die Umrisse der Erlen und Haselbüsche, der Eichen und Buchen mit Entzücken verfolgt und sollte nun Baumschlag machen, der fast aussah, wie hölzerne spanische Reiter – es war zum Verzweifeln! Und doch hatte ich zu grossen Respekt vor der Weisheit der Professoren, ich musste meinen Ansichten misstrauen und den ihrigen folgen; nichts in der umgebenden Kunstwelt, das einem hätte auf die Sprünge helfen können. Von der Noth einer manierirten Zeit hat die jetzige junge Kunstwelt gar keinen Begriff.“

Auch die romantische Richtung, die dann unter den Dresdener Malern aufkam, hatte nur geringe künstlerische Bedeutung; aber es war in ihr doch ein poetischer Zug, der über das enge und dürre Feld der Schule hinausführte. Die Landschaftsbilder des begabten und feinsinnigen Friedrich, wohl das Beste, was aus dieser Dresdener Kunstromantik hervorging, erregten viel Aufsehen und wurden von Tieck mit lebhaftem Beifall, fast wie eine neue Kunstoffenbarung begrüsst. Das Sentimentale dieser „Landschaftselegieen“, deren Stimmung zuletzt ganz in’s Nebelhafte zerfloss, das wunderliche Symbolisiren, womit nicht blos die Staffage, sondern die landschaftliche Darstellung selbst in allerhand räthselhaften Anspielungen bedeutsam gemacht werden sollte, war jedoch nichts, wobei es einem lebendigen künstlerischen Sinn hätte wohl werden können. Förderlicher wirkte der Einfluss des Norwegischen Landschaftsmalers Dahl, der 1818 nach Dresden kam und der akademischen Richtung mit seiner kräftigen Art der Naturschilderung eine glückliche Opposition machte. Aber schon übte auch hier, inmitten des noch immer ziemlich dumpfen künstlerischen

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Hermann Lücke: Landschaften von Ludwig Richter. Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Richter_Landschaften.pdf/5&oldid=- (Version vom 12.12.2020)