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An der Hand des Künstlers machen wir in diesen Landschaftsblättern eine Wanderung durch Italien, von einer Gegend des Apennin durch das Albaner- und Sabinergebirge bis zu den südlichen Gestaden von Salerno und Bajä, und kehren dann mit ihm zurück auf vaterländischen Boden, unter den Schatten heimathlicher Eichen, in die Romantik der deutschen Gebirgswelt.

Das erste Blatt, eine Apenninen-Aussicht, zeigt im Vordergrund eine Anhöhe mit prächtigem Baumwuchs und reicher Vegetation, vor der sich eine breite hügelige Niederung hindehnt, rechts überragt von einem Höhenzug des Gebirges, während sie in der Mitte einen Ausblick in unbestimmte, sonnige Fernen gewährt. Von der freien Höhe des Apennin führen dann die folgenden Blätter an zwei idyllische Punkte des anmuthigen Albanergebirges, das eine zu dem Brunnen an der Strasse nach Ariccia; des Weges daher kommt eine echt italienische Caravane, voran auf dem schwer belasteten Maulthier eine junge Albaneserin mit dem Tamburin, dann eine Mutter mit dem Kind wie auf der Flucht nach Aegypten, zuletzt die dicke Gestalt eines schwer bepackten Mönches. Das andere Blatt, der Brunnen bei Grotta Ferrata, eines der ansprechendsten der ganzen Folge, ist wie die Illustration zu einer modernen Odyssee; am Brunnen, den das mächtige Blätterdach immergrüner Eichen beschattet, ein Hirt mit den Mägden im Zwiegespräch, hinter dem Zaun hervorkommend und im Gehen spinnend eine greise Matrone, im Vordergrund Widder und Ziegen, die nach der Tränke gehen. Dem grossartigeren Sabinergebirg ist das Motiv des nächsten Bildes entnommen: eine Gegend am Monte Serrone während eines Gewitters. Zu dieser Scene in anmuthigem Gegensatz zeigt das folgende Blatt den fernen Gipfel desselben Berges im milden Glanz der Abendsonne, hell und heiter verbreitet sich der Himmel über die friedliche Landschaft und über die Gruppe von Männern und Frauen, die das Madonnenbild im Vordergründe umgiebt, die einen in Andacht, die andern nur rastend von der Wanderung, alle in der gleichen Stimmung abendlicher Ruhe. Im Mittelgrund des Bildes öffnet sich eine schattige Thalschlucht, aus der eine schlanke Mädchengestalt, mit dem Krug auf dem Kopf, zwischen zwei Alten heransteigt, eine jener Gestalten, die nur ganz flüchtig angedeutet, doch so wesentlich auf die Stimmung des Ganzen mit einwirken. Eine dritte Gegend des Sabinergebirgs, ein waldiges reich gegliedertes Thal bei Rocca di Mezzo, zeigt das nächste, besonders schön durchgeführte Blatt; das folgende, fast nur skizzirte, versetzt uns ganz nach dem Süden, in ein Thal bei Amalfi. Die Hälfte des Hintergrunds nimmt eine hohe mächtige Felswand ein, nach der Seite öffnet sich das Thal, noch in

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Hermann Lücke: Landschaften von Ludwig Richter. Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Richter_Landschaften.pdf/11&oldid=- (Version vom 12.12.2020)