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Ludwig Anzengruber: Der Pfarrer von Kirchfeld. Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke. Band 2

hinterlistigen Worten an mich herangeschlichen … Sepp, du hast nichts Gutes im Sinn.

Sepp (auflachend). Haha! Du bist schlau!

Hell. Als Freund der offenen Tat und der offenen Rede fasse ich dich denn gerade an, wo ich dich treffe, und frage dich: Warum beobachtest du mein Tun und Lassen heimlich und versteckt? Was kommst du wie ein Dieb in der Nacht in mein Haus?

Sepp (gehässig). Weil ich dein Feind bin!

Hell. Mein Feind? Du irrst!

Sepp. Ich weiß recht gut, wen ich mein – und ich sag dir’s ja, daß ich dich mein!

Hell. Mein Feind! So hab ich denn einen Feind? Ich hätte das nicht gedacht! Was für Ursache habe ich dir je gegeben, mein Feind zu sein? – Sepp, du tust unrecht, auch dann unrecht, wenn du – wie ich fürchte – nur der Feind des Kleides bist, das ich trage.

Sepp. Drüber wolln wir nit streiten, du tragst es ja einmal doch, das Gwand!

Hell. Das Kleid macht nicht den Mann – und nicht darauf kommt es an im Leben, was wir sind, sondern wie wir es sind.

Sepp. Das glaub ich selbn! Mit dem Gwand aber mußt du das sein, was ich mein, und so bin ich schon recht! (Mit Schadenfreude.) Ja, Pfarrer, du mußt’s sein – mußt, wenn d’ gleich nit wolltest – mußt, ob dir’s jetzt ’s Herz abdrucken will oder ob du in Boden neinstampfst … du mußt!

Hell. Mensch, was liegt auf dem Grunde deiner Seele? Woher dieser gehässige, feindselige Jubel?

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Anzengruber: Der Pfarrer von Kirchfeld. Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke. Band 2. Wien 1922, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Anzengrubers_s%C3%A4mtliche_Werke_II_056.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)