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Ludwig Anzengruber: Der Pfarrer von Kirchfeld. Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke. Band 2


Annerl (gibt ihm die Hand). Mein Lebtag net! (Kleine Pause, sie zieht ihre Hand aus der seinen.) Gute Nacht, Hochwürden!

Hell. Gute Nacht!

Annerl (zurückkehrend). Und darf ich das Kreuzl offen tragen vor ganz Kirchfeld?

Hell. Gewiß! Warum fragst du?

Annel. Ich hab nur gfragt, daß ich weiß, was dir recht ist! Nach allem andern frag ich nimmer! Recht, recht gute Nacht! (Ab.)

Hell. Gute Nacht, Anne!


Dritte Szene

Hell (allein). Sei mir gegrüßt, du heiliger Hauch des lange verlorenen Familienlebens, das wieder mit diesem Kinde in mein Haus gezogen ist! Wieder, wie einst in den Tagen, wo ich eifrig über meinen Studien saß, wird eine helle, freundliche Stimme an mein Ohr schlagen, wieder, wenn ich das Auge von meinen Büchern hebe, werde ich in ein frisches, heiteres Antlitz blicken – und wieder werde ich wissen: ich bin nicht allein, ich muß auf der Hut sein vor mir selbst, muß jedes Fleckchen, das vielleicht dem Entfernteren unbemerkbar ist, aber in der Nähe doch übel auffällt, sorgfältig in all meinem Denken und Handeln löschen – und jenes Leben, das immer auf andere vorab Rücksicht nimmt, muß mir wieder zur zweiten Natur werden, und nur wer so lebt, versteht dich, du Gott der Liebe! Und nur der, der ein Herz in den engen Grenzen seines Hauses recht erfaßt und verstehen lernt, der weiß sie

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Ludwig Anzengruber: Der Pfarrer von Kirchfeld. Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke. Band 2. Wien 1922, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Anzengrubers_s%C3%A4mtliche_Werke_II_054.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)