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ist. Sie sagen, der Tempel, wie er jetzt ist, sey nicht der gleich Anfangs erbaute; sondern der erste sey mit der Länge der Zeit endlich zusammengefallen. Der jetzt bestehende sey von Stratonice, der Gemahlin des Könige der Assyrier, erbaut worden. Meines Dafürhaltens war es dieselbe Stratonice, welche von ihrem Stiefsohne geliebt wurde, was durch den Scharfsinn eines Arztes an den Tag kam. Als Jenen die unglückliche Leidenschaft befiel, welche ihm selbst schändlich zu seyn dünkte, war er trostlos und verfiel in eine langwierige Krankheit. So lag er zwar ohne Schmerzen, aber seine Farbe änderte sich gänzlich, und sein Körper welkte sichtbarlich hin. Der Arzt, wie er kein wahrnehmbares Leiden an ihm fand, erkannte, daß seine Krankheit die Liebe sey. Denn es zeigten sich mehrere Zeichen einer geheimen Liebe, die matten Augen, die schwache Stimme, die blasse Farbe und die verstohlenen Thränen. Dieß merkend ging er also zu Werke. Er legte seine rechte Hand auf das Herz des jungen Mannes, und ließ Alle, so im Hause waren, herbei kommen. Einer trat um den Anderen herein, und der Kranke blieb ganz ruhig. Als aber seine Stiefmutter erschien, wechselte er die Farbe, der Schweiß brach ihm aus, alle seine Glieder zitterten, und das Herz pochte heftig. Diese Erscheinungen machten dem Arzte die Liebe vollends klar; und er heilte ihn nun auf folgende Weise.

18. Er rief den Vater, der sehr in Sorgen war, herbei, und sprach zu ihm: „Die Krankheit, an welcher dieser dein Sohn darniederliegt, ist keine Krankheit, sondern eine Thorheit. Am Körper leidet er nicht, wohl aber hat der Wahnsinn der Liebe sich seiner bemächtigt. Er sehnt sich nach

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1729. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1729.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)