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sah, ist klein. Zum Gedächtniß dieser Begebenheit thun sie Folgendes. Zweimal in jedem Jahre wird Meerwasser in den Tempel gebracht. Die es aber tragen, sind nicht allein die Priester, sondern aus ganz Syrien und Arabien, und von jenseit des Euphrat her läuft eine Menge Volks an das Meer, und Alle bringen Wasser herbei. Dieses Wasser gießen sie im Tempel aus, von wo es in den besagten Schlund abläuft, und dieser Schlund nimmt, so klein er ist, eine gewaltige Menge Wassers auf. Solches thun sie, indem sie sagen, Deucalion habe es in diesem Tempel selbst, zum Gedächtniß der Heimsuchung so wie der göttlichen Gnade, also angeordnet. Dieß ist also die alte Ueberlieferung anlangend den Tempel zu Hierapolis.

14. Andere aber sind der Meinung, Semiramis, die Babylonierin, von welcher gar viele Werke in Asien sind, habe auch diesen heiligen Sitz gegründet, nicht aber der Juno, sondern ihrer Mutter, der Derceto. Das Bild der Derceto habe ich in Phönicien gesehen: ein seltsamer Anblick! die obere Hälfte ist ein Weib, die untere läuft von den Hüften an in einen Fischschwanz aus. Die Göttin zu Hierapolis aber ist ganz Weib. Die Beweise für ihre Sage sind jedoch nicht sehr einleuchtend. Die Fische halten sie für etwas Heiliges, und niemals rühren sie Fische an: von Vögeln essen sie alle eßbaren Gattungen; nur die Taube essen sie nicht, sie ist ihnen heilig. Und dieß thun sie nach ihrem Glauben um der Derceto und Semiramis willen: das Eine weil Derceto die Gestalt eines Fisches hat, das Andere, weil Semiramis zuletzt in eine Taube verwandelt worden. Daß der Tempel zwar ein Werk der Semiramis sey, läßt

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1726.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)