Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dem hohen tragischen Cothurn stände, und an dem andern nicht einmal einen Schuh hätte. Wenn er nun ginge, so müßte er bald hoch bald klein werden, je nachdem er auf den einen oder den andern Fuß träte. Siehst du, Dasselbe ist es mit der Ungleichheit in der Welt. Die Einen auf ihren Cothurnen, die ihnen das Glück gegeben, thun groß gegen uns, während wir Andern, die bei Weitem größere Mehrzahl, mit den bloßen Füßen auf der Erde wandeln, wiewohl wir vielleicht eben so gut die Großen spielen und hoch einherschreiten könnten, wenn man uns eben so, wie Jene, ausstaffirt hätte.

20. Wiewohl, ich höre von den Dichtern sagen, daß es vor Alters, als du noch die Alleinherrschaft hattest, anders gewesen sey unter den Menschen. Die Erde lieferte alles Gute die Fülle, und Jeder hatte, ohne zu pflügen und zu säen, seine reichliche Mahlzeit. Ganze Ströme floßen von Wein und von Milch, etliche sogar von Honig. Und was das Erstaunlichste ist, die Menschen sollen leibhaftig aus lauterem Golde gewesen seyn, und nie auch nur das Geringste von Armuth verspürt haben. Wir hingegen können wohl nicht einmal für Blei gelten, sondern stellen sogar noch etwas Schlechteres vor. Die Meisten können nur mit Mühe und Arbeit ihr Brod erlangen, und bei uns Armen ist Nichts zu finden als Hunger, Noth und Rathlosigkeit, und Nichts zu hören als Ach und Weh, und „Woher nehmen wir Brod?“ und „O des harten Schicksals!“ Wir würden uns über unseren Mangel weniger grämen, wenn wir nicht die Glückseligkeit mit ansehen müßten, in welcher die Reichen ihre Tage verleben, wenn wir nicht wüßten,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1678. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1678.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)