Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

2. Chelidonion. Aber wie konnte sich dieser Mensch beigehen lassen, dem Clinias solche Dinge weiß zu machen?

Drose. Das weiß ich nicht. Kurz Clinias, der vor mir noch mit keinem Mädchen Umgang gehabt, und, seit er mich liebt, noch keine Nacht ohne mich zugebracht hat, hat sich nun drei Tage nach einander nicht einmal in meinem Gäßchen sehen lassen. Unruhig darüber – denn mir ahnte nichts Gutes – schickte ich die Nebris, mein Mädchen, nach dem Markte und in die Pöcile, um nach ihm zu sehen. Dort sah sie ihn wirklich mit Aristänetus auf- und abgehen, und winkte ihm von ferne zu: er aber ward über und über roth im Gesicht, und vermied es absichtlich sie anzublicken. Drauf gingen sie Beide zur Stadt hinaus und Nebris ihnen nach bis zum Doppelthor, wo sie, weil sich Clinias auch nicht ein einzigesmal umgesehen, wieder umkehrte und nach Hause ging, ohne mir eine nähere Nachricht mitbringen zu können. Nun kannst du dir denken, Chelidonion, wie mir zu Muthe war. Ich bemühte mich vergeblich, zu errathen, was doch den lieben Jungen angewandelt haben möchte. Habe ich ihn etwa beleidigt? Oder ist er meiner überdrüssig und liebt nun eine Andere? Oder hat ihm gar sein Vater mein Haus verboten? Hundert solche Fragen durchkreuzten sich in meinem Kopfe, als Abends spät sein Bedienter Dromo eintrat und mir diesen Brief einhändigte. Hier, liebe Chelidonion, lies ihn mir; du hast ja wohl lesen gelernt.

Chelidonion. So laß sehen. Die Handschrift ist eben nicht zu deutlich: die Buchstaben sind in einander gezogen und verrathen die Eilfertigkeit des Schreibers. „Wie sehr ich dich geliebt habe, gute Drose, wissen die Götter!“

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1592.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)