Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

es ist schöner, die Vaterstadt schon um deßwillen zu ehren, weil sie Vaterstadt heißt. Allerdings kommen, wenn man eine Stadt mit einer andern (an und für sich) vergleichen will, die Vorzüge der Größe, der Schönheit, der Leichtigkeit, sich alles Käufliche zu verschaffen, in Betracht: fragt sich aber, welche Stadt wir uns zur Vaterstadt wünschten, so wird wohl Niemand, mit Hintansetzung der seinigen, die glänzendere wählen. Er wird zwar wünschen, daß sie den Vorzügen der glücklicheren Städte so nahe als möglich kommen möchte; nichts desto weniger aber wird er sie vorziehen, sie sey wie sie wolle.

3. Dasselbe thun auch rechtschaffene Söhne und gute Väter. Ein sittlich guter Jüngling wird Keinen höher achten als seinen Vater, und ein Vater wird den eigenen Sohn nicht vernachläßigen und einen fremden lieben. Die älterliche Liebe ist im Gegentheile so stark, daß sie den Vater alle Vorzüge an seinem Sohne finden läßt, daß in seinen Augen keiner so schön, so groß, so ausgezeichnet ist: und ich glaube wirklich, Wer nicht ein solcher Beurtheiler seines Sohnes ist, sieht ihn nicht mit den Augen eines Vaters an.

4. Schon der Name Vaterstadt besagt, daß sie uns vor Allem zunächst angeht. Denn was ist uns verwandter als der Vater? Wer also dem Vater die verdiente Ehre erweist, wie Gesetz und Natur es verlangen, wird in Uebereinstimmung damit auch die Vaterstadt über Alles werth halten. Denn der Vater selbst, und des Vaters Vater, und so weiterhin alle unsere Vorältern, gehören ja der Vaterstadt an; und endlich führt uns dieser Name hinauf bis zu den väterlichen Göttern.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1513.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)