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Lob der Vaterstadt.

1. „Nichts geht doch über die Vaterstadt!“[1] ist längst schon ein allbekannter Spruch. Und nicht das Liebste blos, sondern auch das Ehrwürdigste und Heiligste soll uns die Vaterstadt seyn. Denn was wir Menschen Ehrwürdiges und Heiliges kennen, gewährte und lehrte uns die Vaterstadt: sie ist unsere Erzeugerin, Erzieherin und Bildnerin. Während wir oft die Größe und Pracht anderer Städte, und die Kostbarkeit ihrer Gebäude und Kunstwerke bewundern, lieben wir alle doch nur die Vaterstadt. Und wie groß auch die Gewalt ist, welche der Genuß eines schönen Anblicks über Manche ausübt, so hat sich doch wohl Keiner von den Wundern der Fremde so sehr bestechen lassen, daß er darüber die Vaterstadt vergessen hätte.

2. Wenn ein Bürger auf seine Vaterstadt nur darum stolz ist, weil sie eine schöne und wohlhabende Stadt ist, so scheint er die wahre Achtung nicht zu kennen, welche der Vaterstadt gebührt. Ein Solcher würde es unfehlbar mit Verdruß empfinden, wenn ihm das Schicksal einen unbedeutenderen Ort zur Heimath angewiesen hätte. Ich denke aber,


  1. Hom. Odyss. IX, 34.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1512.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)