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zu recht kommen kannst. Wisse denn, daß bei uns Galliern nicht Merkur für den Gott der Beredtsamkeit gilt, wie bei euch Griechen, sondern Herkules, weil Dieser ja weit stärker ist als Jener. Daß er aber als Greis abgebildet ist, darf dich nicht befremden. Denn die Kraft zu reden ist es ja allein, die sich im höheren Alter in ihrer vollen Reife zeigt; wie denn auch eure Dichter sehr richtig sagen:

Stets ja flattert das Herz den Jünglingen – – (Il. III, 108.)

Dagegen wird das Alter stets

Weit mehr, denn junge Leute, klugen Rath erseh’n.[1]

Fließt ja doch honigsüß die Rede aus dem Mund eures Nestor, und die liebliche Rede der Trojischen Aeltesten wird verglichen mit der Lilienblüthe: Lilie aber heißt bei euch, wenn ich mich recht erinnere, eine Blumengattung.

5. Daß also dieser alte Herkules, d. h. die [personificirte] Beredtsamkeit, die Menschen mittelst ihrer Ohren an seine Zunge gebunden hat und so nach sich zieht, ist, bei der nahen Verwandtschaft der Zunge und der Ohren, nicht zu verwundern. Es liegt durchaus kein Spott gegen ihn darin, daß jene durchlöchert dargestellt ist. Ich erinnere mich, die Verse eines eurer Komiker gelesen zu haben:

– – – – denn die Zungenspitze ist
Den redesel’gen Leuten allen durchgebohrt.

6. Ueberhaupt sind, wir des Glauben, Herkules habe, als ein Mann von großer Weisheit, das Meiste, was er


  1. Nach Eurip. Phöniz. 540. (Pors.) Das Folgende sind Anspielungen auf die Homerischen Stellen Il. I, 249. III, 152.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1403.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)