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22. Die Grabhügel aber, Pyramiden, Denksäulen und Inschriften, die ja doch nur kurze Zeit über dauern, was sind sie mehr als ein unnützes Kinderspiel?

23. Nicht selten stellt man Kampfspiele zur Ehre der Verstorbenen an, oder hält Lobreden auf ihren Gräbern, als ob man vor den Richtern der Unterwelt die Sache des Todten zu führen hätte, oder zu seinen Gunsten ein Zeugniß ablegen müßte.

24. Den Beschluß des Ganzen macht das Leichenmahl. Alle Anverwandten sind zugegen, trösten die Eltern des Verstorbenen, nöthigen sie, etwas zu sich zu nehmen, als ob es da viel Nöthigens brauchte bei Leuten, die ein dreitägiges Hungern ganz ausgemergelt hat. Jetzt heißt es: „Wie lange wollen wir noch jammern und wehklagen? Laß sie ruhen, die Manen des Seligen. Und wenn du ja unaufhörlich weinen willst, nun so darfst du eben deswegen der Nahrung dich nicht länger enthalten, um der Macht deines Schmerzens nicht zu unterliegen.“ Und nun tönen aus Aller Mund die bekannten Homerischen Verse:

Denn auch Niobe selbst, die lockige, dachte der Nahrung.

Und

Nicht mit dem Bauch ja müßen die Danaer Todte betrauern.[1]

Endlich langen die Leidtragenden zu, aber anfänglich noch verschämt und schüchtern, als möchte man sie darum ansehen, daß sie nach dem Tode ihrer Liebsten noch menschlichen Bedürfnissen gehorchen.


  1. Il. XXIV, 602. und XIX, 225.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1334.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)