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leibhaftig zu Gesichte kriegen: er soll, sagt man, wenn er sich das ganze Leben hindurch abgequält hat, am Ende noch selig werden, wenn er – nicht mehr ist. Gewiß, ihr Richter, Niemand könnte über diese Sache richtiger urtheilen, als eben Dionysius selbst, welcher die Lehre der Stoa so gut als Einer kennt, und das Sittlichschöne, wovon sie spricht, nur so lange für das einzig Gute hielt, bis die Erfahrung ihn belehrte, daß der Schmerz ein Uebel sey, wo er denn aus beiden Systemen dasjenige annahm, was ihm das bessere schien. Es entging ihm nicht, denke ich, wie gerade Die, welche das Arbeiten, Entbehren, Beschwerde ertragen, am meisten im Munde führen, in ihrem Privatleben dem sinnlichen Vergnügen gar gerne fröhnen, wie sie in Worten zwar starke Helden sind, zwischen ihren Wänden jedoch sich nach den Forderungen der Wollust bequemen, und wie sie sich zwar schämen, vor den Augen der Welt im Mindesten von der Strenge ihrer Regel nachzulassen und ihren eigenen Dogmen ungetreu zu werden, und daher lieber alle Qualen des Tantalus sich gefallen lassen, hingegen, sobald sie glauben, unbemerkt und sorglos d’rauf los sündigen zu können, die sinnliche Lust in vollen Zügen trinken. Man gebe ihnen den unsichtbar machenden Ring des Gyges, oder den Helm des Pluto, ich weiß gewiß, diese Gesellen würden aller Arbeit und Beschwerde ewigen Abschied geben, würden sich der Wollust mit Ungestüm in die Arme werfen, und sammt und sonders dem Dionysius nachfolgen, der, ehe er krank wurde, Wunder glaubte, von welcher Kraft jene Declamationen über Geduld und Ausdauer wären, sobald aber eine Krankheit ihn ergriffen, und der Schmerz jetzt Ernst machte, wohl

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1270.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)