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4. Der Hahn. So erzählt man allerdings, Micyll. Mein Fall aber ist ein ganz anderer. Ich bin nur erst ganz neulich aus einem Menschen zu einem Haushahn geworden.

Micyll. Wie ging doch Das zu? Du machst mich sehr neugierig.

Der Hahn. Du hast doch wohl schon von einem gewissen Pythagoras, Mnesarchus Sohn, aus Samos, gehört?

Micyll. Dem Sophisten, meinst du, dem großen Aufschneider, der das Fleischessen verbot, der mein Leibgericht, die Bohnen, von unseren Tischen wegdisputiren wollte, und noch überdieß den Leuten weiß machte, daß sie fünf ganzer Jahre lang nicht mit einander reden dürfen?

Der Hahn. Nun so ist dir wohl auch bekannt, daß er, ehe er Pythagoras geworden, Euphorbus war?

Micyll. Ich weiß nur, daß er für einen großen Gaukler und Wunderthäter galt.

Der Hahn. Siehe, dieser Pythagoras bin ich selbst: Spare also deine Schimpfwörter, mein Bester, zumal da du den Charakter des ehmaligen Pythagoras gar nicht kennst.

Micyll. Das ist nun vollends das Allerwunderbarste, ein Haushahn, der ein Philosoph ist! So sage mir doch gleich, o Sohn des Mnesarchus, was in aller Welt machte dich aus einem Menschen zu einem Vogel, und aus einem Samier zu einem Tanagräer?[1] Die Sache ist eben so seltsam, als schwer zu glauben: denn ich meine, schon zwei Dinge an dir bemerkt zu haben, die sich eben nicht zum besten mit Pythagoras vertragen.


  1. Die Hähne von Tanagra in Böotien waren, besonders als Streithähne, die geschätztesten.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)