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es keiner Menschenseele weiter sagen: besorge nichts. Denn Wer würde mir glauben, wenn ich erzählte, was ich von einem Hahn gehört haben wollte?

Der Hahn. So vernimm denn das Wunderlichste von der Welt, lieber Micyll. Der vermeintliche Hahn, der hier vor dir steht, war vor nicht gar langer Zeit ein Mensch.

Micyll. Ah ich erinnere mich, vor Zeiten etwas dergleichen von dir gehört zu haben. Ein junger Mensch, mit Namen Alektryon [der Hahn], war der Liebling des Mars und der beständige Gesellschafter bei seinen Trinkgelagen, Schmausereien und Liebesabenteuern. So oft daher Mars der Venus hinter dem Rücken ihres Gatten einen Besuch abstattete, mußte ihn Alektryon jedesmal begleiten, und weil Mars Nichts so sehr als den verrätherischen Sonnengott fürchtete, vor der Thüre Wache halten, um ihm sogleich die Ankunft des Helios anzuzeigen. Einsmals aber vergaß der gute Alektryon, was seines Amts war, und schlief ein. Der Sonnengott nahte unvermerkt und überraschte das Pärchen, welches sich im Vertrauen auf ihren Wächter dem sorgenlosesten Schlummer überlassen hatte. Vulkan, augenblicklich durch Helios von der Sache unterrichtet, fing sie nun in dem künstlichen Netze, welches er seit lange schon für diesen Fall verfertigt hatte. Kaum war Mars wieder freigegeben, als er in seinem Zorne den Alektryon, bewaffnet wie er war, in den Vogel verwandelte, der nun einen Kamm statt des Helmes auf dem Haupte trägt. Daher soll es kommen, daß ihr nun, um euch gegen Mars zu rechtfertigen, wie wohl es jetzt zu spät ist, die Ankunft des Helios ziemlich lange vorher durch euer Geschrei ankündiget.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)