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24. „Uebrigens, wenn ich dich auch wirklich mit den Göttinnen selbst verglichen hätte, so wäre der Einfall nicht mein, und ich nicht der Erste, der diesen Weg betreten, indem viele und vortreffliche Dichter schon vor mir dergleichen gewagt haben. Der vornehmste unter Diesen ist dein Landsmann Homer: ihn rufe ich auf, sich meiner anzunehmen; denn es kann nicht fehlen, auch seine Sache steht und fällt mit der meinigen. Ich frage ihn also, oder vielmehr ich frage dich an seiner Statt (denn ich weiß, du hast die schönsten Stellen seiner Gesänge alle im Gedächtniß), was hältst du von jener Stelle, wo er von der Sclavin Briseïs sagt, sie hätte, als sie den Patroclus bejammerte, der goldenen Aphrodite gleich gesehen? und weiter hin, als ob es nicht genügte, wenn sie blos der Aphrodite gleiche, heißt es:

Also sprach mit Thränen das Weib, Göttinnen vergleichbar.

Wenn nun Homer sich so ausdrückt, wird er dir dadurch zuwider? Verwirfst du darum sein Buch, oder räumst du ihm das Recht ein, zu loben, wie es ihm gefällt? Und wolltest auch du ihm dieses Recht streitig machen, so haben es ihm nun schon so viele Jahrhunderte zugestanden, und noch hat Keiner ihn deswegen belangt; sogar jener Verwegene[1] nicht, der des Dichters Standbild geißelte, noch auch jener Kunstrichter, der doch so manche Verse dieser Gesänge als unächt mit Strichelchen bezeichnete.[2] Homer also soll es erlaubt seyn, ein weinendes Mädchen, das nicht einmal eine Griechin war, mit der goldenen Aphrodite zu vergleichen, und –


  1. Zoïlus.
  2. Aristarch.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 985. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0985.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)