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werden solle; so ein Zwitter aber sey noch erbärmlicher als ein Castrat; denn Dieser habe doch einmal gewußt, was Mannheit sey, Jener hingegen sey von seinem Beginn an ein verhunztes, zweideutiges Geschöpf, ungefähr wie die Krähen, von denen man nicht wisse, ob man sie zu den Tauben oder zu den Raben zu zählen habe.

9. Bagóas wandte dagegen ein, nicht das körperliche, sondern das geistige Vermögen komme hier in Betracht, und es frage sich blos, Wer dem Andern an Einsicht und philosophischen Kenntnissen überlegen sey: zugleich berief er sich auf Aristoteles, der den gleichfalls geschlechtlosen Hermías, Fürsten von Atarnea, in einem so hohen Grade verehrt, daß er ihm sogar wie einem Gotte geopfert habe. Ja Bagóas getraute sich, noch hinzuzusetzen, ein Eunuch eigne sich noch weit mehr, als jeder Andere, zu einem Lehrer der Jugend, weil die Beschuldigung, schöne Jünglinge zu verführen, von welcher sogar Socrates nicht frei geblieben, nie auf ihn fallen könne. Und da einige Spöttereien über sein glattes Kinn gefallen waren, so warf er den, wie er wenigstens glaubte, witzigen Einfall hin: Wenn die Philosophen nach dem Barte zu beurtheilen wären, so verdiente Keiner mehr, als ein Ziegenbock, den Preis davon zu tragen.

10. Während sie nun so haderten, legte sich ein Dritter (seinen Namen laß mich verschweigen) in die Sache und sprach: „Wolltet Ihr den Befehl geben, ihr Herrn Richter, daß dieser Mensch da mit seinem glatten Kinne, der Weiberstimme und dem zwitterhaften Aussehen, sich entkleide, so würdet ihr die Entdeckung machen, daß an seiner Mannheit nicht das Mindeste auszusetzen ist. Denn wenn man

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 916. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0916.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)