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76. Bei dieser Gelegenheit will ich einiger lauten Aeußerungen eines Publikums erwähnen, das in solchen Dingen einen sehr richtigen Blick an den Tag zu legen pflegt. Die Bewohner von Antiochien, ein geistreiches Völkchen, das besonders die Pantomimik sehr in Ehren hält, sind gewohnt, Alles, was auf dem Schauplatze gesagt und gethan wird, so genau zu beobachten, daß auch nicht das Geringste ihrer Aufmerksamkeit entgeht. Einmal war ein ungewöhnlich kleiner Tänzer aufgetreten, um die Rolle des Hector zu tanzen, als ihm sämmtliche Zuschauer wie aus Einem Munde entgegen riefen: „Ach! siehe da, Astyanar! Wo aber bleibt Hector?“ Ein andermal wollte ein übermäßig langer Mensch den Capaneus darstellen, wie er einen Angriff auf die Mauern von Theben macht; da rief ihm das Publicum zu: „Schreite doch hinüber, du brauchst keine Sturmleiter!“ Einem sehr schweren und wohl beleibten Tänzer, der sich anstrengte, gewaltige Sprünge zu machen, ward zugerufen: „Schone doch, um’s Himmelswillen, die arme Breterbühne!“ Als aber einmal ein ganz schmächtiges Kerlchen auftrat, schrie ihm Alles entgegen: „Gute Besserung!“ als ob er krank wäre. Ich erzählte diese Anekdoten nicht, um dir blos Etwas zum Lachen zu geben, sondern um dir zu zeigen, wie sogar ganze Städte die Orchestik zu einer wichtigen Angelegenheit machen, und mit einem gewissen feinen Takte das Schöne, so wie das Unschickliche zu beurtheilen wissen.

77. Der Tänzer muß fähig seyn, alle Arten von Bewegungen mit der größten Leichtigkeit auszuführen: sein Körper sey also weich und gelenkig und zugleich fest und gedrungen,

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 898. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0898.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)