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jungen Freunde gibt: „nimm die Natur des Meerpolypen an, der sich jedesmal die Farbe des Felsen gibt, an welchen er sich schmiegt,“ ist auch dem mimischen Tänzer unentbehrlich. Er muß mit jedem Gegenstande, den er darzustellen hat, sich innigst vertraut machen, und mit ihm gleichsam Eins werden. Ausdruck und Darstellung der Seelenzustände, der ruhigern sowohl als der aufgeregtern, der Liebe, des Zornes, der Trauer, der Raserei, und dabei strenge Beobachtung des rechten Maßes – Das ist die Aufgabe dieser Tanzkunst. Und so kann uns, zu unserer Bewunderung, an Einem Tage Athamas in seiner Raserei, Ino in ihrer Todesangst, dann Atreus, und gleich darauf Thyest, sofort Aegisthus oder Aërope vor die Augen treten, und doch ist es nur Einer, der alle diese Rollen spielt.

68. Alle übrigen Unterhaltungen für Aug’ und Ohr bestehen jede nur aus den Leistungen Einzelner: entweder ist es die Flöte oder die Cither, oder Gesang, oder Tragödie, oder Lust- und Possenspiel. Der Pantomime aber vereinigt dieses Alles in sich allein, und ergötzt noch den Zuschauer durch den Reichthum und die Mannigfaltigkeit der Zurüstung, und des übrigen Beiwerkes, der Flöten, Syringen, Cymbeln und die melodischen Töne des Sängerchors.

69. Während in andern Dingen die Thätigkeit des Menschen entweder eine Thätigkeit seines Geistes oder seines Körpers ist, ist der mimische Tanz Beides zugleich: er producirt die Schöpfungen eines gebildeten Geistes, so wie seine durch Uebung gewonnene körperliche Kraft und Fertigkeit. Die Hauptsache dabei bleibt freilich immer, daß jede Bewegung das Ergebniß weiser Ueberlegung sey. Lesbónax aus Mitylene,

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 894. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0894.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)