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Mit Blei gefesselt sitzt er dort,
Bis an den Hals im Kothe.[1]

Wunderst du dich nun noch, wie dieses Orakel zu so hohem Ansehen sich erheben konnte, wenn du siehst, was für kluge und gelehrte Fragen an dasselbe gemacht wurden? Ueberhaupt stand er mit Epicur in beständiger, unversöhnlicher Fehde. Und Das war ganz in der Ordnung. Denn ein Windbeutel, ein Liebhaber von Gaukeleien, ein abgesagter Feind der Wahrheit, wie Dieser war, hat wahrlich keinen Grund, einem Menschen mehr aufsätzig zu seyn, als dem Epicur, einem Mann, der die Natur der Dinge durchschaut und allein die Wahrheit gefunden hat. Alle Uebrigen, die Platoniker, Stoiker, Pythagoräer, galten ihm für gute Freunde: mit Diesen lebte er im besten Vernehmen. Nur dem halsstarrigen Epicur (wie er ihn selbst nannte), der sich mit allem Rechte über dergleichen Possen lustig machte, dem galt sein tödtlichster Haß. Aus eben diesem Grunde konnte er unter allen Pontischen Ortschaften die Stadt Amastris am wenigsten leiden, weil er wußte, daß Lepidus und viele Andere dieses Geistes sich dort aufhielten. Auch ertheilte er nie einem Amastriner ein Orakel. Nur ein einzigesmal getraute er sich, dem Bruder eines Senators von dort zu wahrsagen, machte sich jedoch sehr lächerlich, indem er im Augenblick keine schickliche Antwort zu fabriziren wußte, noch auch Jemand bei der Hand hatte, der ihm hätte helfen können. Der Amastriner hatte nämlich über Magenschmerzen geklagt, und Alexander wollte ihm einen Schweinsfuß, mit Malven gekocht, verordnen; dieß kam denn so heraus:

Gänsepappeln vom Schweine bekümmle im heiligen Mehlsack!


  1. „Mit Blei – Kothe“ Wieland.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 838. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0838.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)