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dieses Uebel leicht erzeugen können, insbesondere heftiger Groll gegen irgend eine Person, Verdruß, Zorn, Neid, wenn sie einen Menschen, den sie hassen, glücklich werden sehen. Eine Weile glimmt eine solche Leidenschaft wie Feuer unter der Asche, allmählig aber wird sie heftiger und artet endlich in völlige Verrücktheit aus.

31. Und Dieß ist nun wirklich mit deiner Gattin der Fall, mein Vater. Vielleicht, daß sie erst vor Kurzem einen großen Verdruß gehabt hat: denn Haß war früher wenigstens nicht in ihrem Gemüth. Allein, wie die Sachen jetzt stehen, ist sie so übel daran, daß ihre Wiederherstellung von keinem Arzte zu erwarten ist. Nähme es aber wirklich Einer auf sich, sie zu curiren, und es gelänge ihm, so will ich deinen gerechten Unwillen verschuldet haben. Uebrigens will ich nicht bergen, mein Vater, daß ich, wenn der Zustand meiner Stiefmutter auch nicht so verzweifelt wäre, als er ist, und wirklich noch einige Hoffnung, sie zu retten, sich zeigte, doch nur schwer daran käme, mit ihrer Behandlung mich zu befassen, und großen Anstand nähme, ihr Heilmittel einzugeben, da ich im Falle eines unglücklichen Erfolges eine sehr schlimme Nachrede zu besorgen hätte. Du weißt ja, daß die Stiefmütter, auch die guten, das allgemeine Vorurtheil gegen sich haben, als haßten sie die Kinder aus der vorigen Ehe, und als wäre Dieß eine Art von Gemüthskrankheit, welche alle diese Weiber mit einander gemein hätten. Wie leicht träfe mich also der Verdacht, im Falle das Uebel eine schlimme Wendung nähme, und meine Mittel nicht anschlügen, ich hätte sie in böslicher Absicht verkehrt behandelt!

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 799. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0799.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)