Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eines väterlichen Zornes heute zu bestätigen, morgen zu widerrufen, übermorgen wieder in Kraft zu setzen, kurz – je nach der augenblicklichen Laune eines Vaters Unrecht zu Recht, und Recht wieder zu Unrecht zu machen. Allerdings ist es billig, daß das Gesetz Einmal den Maßregeln eines zürnenden Vaters willig zu Hülfe komme, und die Bestrafung seines Sohnes von ihm abhängig mache. Wenn aber der Vater dieses Vorrecht Einmal gebraucht, dieses Gesetz Einmal für sich in Anspruch genommen, und seinem Zorne Genüge gethan, in der Folge aber die Ueberzeugung gewonnen hat, daß sein Sohn rechtschaffen sey, und ihn daher in seine Rechte wieder einsetzte, so ist doch wohl von ihm zu verlangen, daß er bei dieser zweiten Entschließung beharre, ohne sie sich abermals gereuen zu lassen, und sein gefälltes Urtheil umzustoßen. Denn es gibt, dünkt mich, kein bestimmtes Kennzeichen, von welchem zu entnehmen wäre, ob ein Sohn gut oder schlimm ausfallen werde; daher ist den Vätern das Recht zugestanden, ihre Söhne, die sie auf’s ungewisse erzogen hatten, in dem Falle zu verstoßen, wenn sie sich ihres Namens unwürdig zeigen.

10. Wofern aber Jemand nicht aus irgend einer Nöthigung, sondern lediglich aus freiem Willen, einen Menschen, den er als rechtschaffen erprobt, zum Sohne angenommen hat, wie sollte er seine Meinung auf’s neue ändern, wie das Gesetz abermals wider ihn geltend machen dürfen? Würde ihm der Gesetzgeber nicht sagen: „Wenn dein Sohn wirklich nichtswürdig ist, wenn er die Verstoßung in der That verdient hat, warum hast du dir einfallen lassen, ihn wieder anzunehmen? Warum hast du ihm dein Haus wieder

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 780. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0780.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)