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sind, mit Wenigem zu erinnern. Ich hoffe, daß ihr dann um so richtiger über die Wichtigkeit meines Verdienstes urtheilen und bei dem Gedanken an das Unheil, von welchem ihr nun erlöst seyd, eine desto lebhaftere Freude empfinden werdet. Es war uns nicht das Schicksal so mancher Freistaaten widerfahren, die Knechte Eines Herrn, der Willkühr Eines Despoten unterworfen zu seyn: wir allein unter Allen, die je ein ähnliches Uebel betroffen, hatten zwei statt Eines Tyrannen, die sich in die Mißhandlung unserer unglücklichen Republik theilten. Uebrigens war der Aeltere unserer Zwingherrn der minder Abscheuliche: sein Zorn war leichter zu besänftigen, seine Art zu strafen weniger grausam, seine Leidenschaften minder stürmisch. Sein höheres Alter hatte die Heftigkeit des Temperamentes gedämpft, und den wilden Drang der Begierden gezügelt. Von Natur nicht eben zum Tyrannen gestempelt, hätte er sich, behauptet man, von seinem Sohne zu jenem frevelhaften Beginnen (gegen die Freiheit des Vaterlandes) wider bessern Willen verleiten lassen, und nur seiner übermäßigen Liebe zu diesem Sohne, die er auch durch sein Ende bewiesen, hätte er nachgegeben. Sein Sohn war ihm Ein und Alles: ihm gehorchte er in allen Stücken, begieng alle Ungerechtigkeiten, die er von ihm verlangte, verurtheilte, wen er verurtheilt wissen wollte: kurz er ließ sich selbst von ihm tyrannisiren, und war nichts als der Scherge aller Launen dieses Buben.

5. Der Sohn überließ dem Vater nur die Ehre um seiner Jahre willen, und nur auf den Namen des Herrschers verzichtete er: aber die Seele der Tyrannei war in der That nur er. Er allein gab der Gewalt Festigkeit und

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0751.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)