35. „Allein was bezwecken nun deine Kunstregeln und deine Rathschläge?“ Nicht, die erforderlichen Eigenschaften dir zu geben, sondern, wenn du sie schon hast, ihren rechten Gebrauch zu zeigen. Athletenmeister wie Iccus, Herodikus, Theon, würden es wohl nicht auf sich nehmen, aus einem Schwächling wie Perdiccas[1] einen Kämpfer zu machen, der dem Theagenes aus Thasus oder dem Polydamas aus Scotussa zu Olympia die Krone entriße: wohl aber würden sie eine für die Gymnastik empfänglich geschaffene, kräftige Natur, wenn sie in ihre Schule gegeben würde, mit Hülfe der Kunst in hohem Grade vervollkommnen. Ferne sey also auch von mir die Anmaßung, Kunstregeln gefunden haben zu wollen, nach denen das große und schwierige Geschäft eines Geschichtschreibers sich von Jedwedem betreiben lasse. Was ich verspreche, ist nicht, den Nächsten Besten zu einem Historiker zu bilden, sondern, einem von Natur mit gesundem Urtheil begabten Kopfe, der sich auch in der Kunst der Darstellung mit bestem Erfolge geübt hat, einige zweckmäßige Vorschriften – wenn sie sich wirklich als solche erweisen sollten – mitzutheilen, mit deren Hülfe er vielleicht
- ↑ Hier ist der, nur als fremdes Einschiebsel einigermaßen erklärliche, Zwischensatz εἰ δή – ἐκείνης ausgelassen worden.
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0667.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)