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Centauren gab er den Ausdruck furchtbarer Wildheit, aufsträubendes Haar, eine struppichte Oberfläche nicht bloß der Hälfte, an welcher er Pferd, sondern auch, wo er Mensch ist, gewaltige, derbe Schultern, und einen Blick, der, wiewohl er lacht, doch ganz die rohe, thierische und unbändige Natur dieses Ungethüms verräth.

6. Die Centaurin hingegen gleicht unterhalb einer ausgezeichnet schönen Stutte von jener wilden Art der Thessalischen, die noch ungebändigt sind und keinen Reiter getragen haben; die obere Hälfte ist die eines überaus reizend geformten weiblichen Körpers, mit Ausnahme der Ohren, welche etwas satyrartiges haben. Besonders meisterhaft aber ist die Verbindung der beiden Leiber mit einander, der sanfte und allmählige Uebergang der Pferdenatur in die zarte weibliche, das unmerkliche Verfließen der einen in die andere, wobei das Auge das Aufhören des thierischen und den Anfang des menschlichen Theiles nicht im mindesten gewahr wird. Die Zwillinge haben bei aller Zartheit ihres Alters[1] gleichwohl schon etwas Wildes und Furchtbares; und ein besonders bewundernswürdiger Zug scheint mir die kindische Neugier zu seyn, womit sie nach dem jungen Löwen aufschauen, während sie sich zugleich saugend, aber mit einer gewissen Aengstlichkeit, an die Mutter schmiegen.

7. Dieses Bild nun stellte Zeuxis öffentlich auf, und versprach sich von der kunstvollen Ausführung desselben eine große Wirkung auf die Beschauer. Auch erhob sich wirklich


  1. Ἐν τῷ νηπίῳ nach Gronov.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0608.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)