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nun aber einmal der Stoa den Vorzug gegeben hattest, so war auch meine Rede zunächst gegen diese gerichtet, wiewohl ich, wie gesagt, nichts Besonderes gegen sie habe.

85. Hermotimus. Nun gut, mein Lycinus! ich gehe, um vor allen Dingen meinem Aeußern ein anderes Ansehen zu geben. Du sollst mich nun nicht länger mit einem langen und struppichten Barte, wie dieser ist, einhergehen und die Lebensart eines Büßers führen sehen; frei und behaglich soll hinfort mein ganzes Thun und Treiben seyn. Ja ich habe gute Lust, auch einen rothen Rock anzuziehen, damit alle Welt sehe, daß ich mit jenen Narrheiten nun nichts mehr zu schaffen habe. O könnte ich doch Alles sammt und sonders wieder von mir geben, was jene Leute mir beigebracht haben! Glaube mir, ich besinne mich keinen Augenblick, einen tüchtigen Nießwurztrank zu mir zu nehmen,[1] um mein Gehirn von allen solchen Albernheiten zu reinigen. Dir aber, theurer Lycinus, kann ich nicht genug Dank sagen, daß du mir, da ich von der trüben Fluth eines reißenden Stromes ohne Widerstand mich fortreißen ließ, als ein hülfreicher Genius, dergleichen sonst nur auf der tragischen Bühne erscheint, unerwartet zur Seite standst, und mich aus den Wogen zogst. Auch werde ich wohl recht daran thun, wenn ich mir das Haupthaar abscheeren lasse, wie diejenigen, welche aus einem Schiffbruche ihr Leben davon gebracht haben: und heut noch will ich ein feierliches Dankopfer dafür darbringen, daß


  1. Nach dem Texte: „gerade zu dem entgegengesetzten Zwecke von dem des Chrysipp,“ der sich durch Nießwurz für seine stoischen Meditationen gestärkt haben soll.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 597. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0597.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)