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kannst; zuvor aber ist nöthig, daß du dich in Beurtheilung solcher Dinge geübt und dir eine gewisse Sicherheit erworben habest, um nicht aus Unkunde den Schlechten für den Bessern anzusehen. Du siehst selbst, wie viel auch dieses Geschäft Zeit erfordert, welche ich vorhin absichtlich nicht in Anschlag brachte, weil ich fürchtete, dich nur noch unwilliger zu machen. Und gleichwohl ist unter den unausgemachten Dingen, über welche man vor allen Dingen in’s Reine kommen muß, dieses unstreitig das wichtigste und unentbehrlichste; auf diesem Verfahren allein kann mit einigem Grunde deine Hoffnung, die Wahrheit zu finden, beruhen, und es kann dir auf keine Weise gelingen, wenn du nicht das Vermögen besitzest, richtig zu urtheilen und das Wahre vom Falschen zu unterscheiden, und wenn du nicht gleichsam den sichern Blick eines Münzwardeins hast, der auf’s genauste zu sagen weiß, was von ächtem Schrot und Korn, und was nachgemachte Waare ist. Hast du dir dieses Vermögen und diese Fertigkeit erworben, dann erst schreite zur Prüfung der Lehren selbst, wo nicht, so sey gewiß, daß dich nichts vor der Schmach sichern wird, von einem Jeden an der Nase herumgeführt, oder wie eine hungrige Ziege mittelst eines vorgehaltenen Büschels Laub nach Belieben nachgezogen zu werden. Du wirst alsdann seyn, wie Wasser, das man auf den Tisch gegossen, und nun mit dem Finger ziehen kann, wohin man will: oder wie ein Schilfrohr am Gestade eines Sees, das jeder Windstoß beugt und der leiseste Lufthauch hin und her wiegt.

68. Wärest du aber so glücklich, mein Freund, einen Meister zu finden, der die Kunst verstände, das Gewisse und

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0580.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)