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und untersuchen, sondern es gehört noch etwas dazu, was eben das Wichtigste ist.

Hermotimus. Und das wäre?

Lycinus. Höre also, mein wunderliches Freundchen: man muß ausgerüstet seyn mit dem Vermögen, richtig zu prüfen und zu urtheilen, mit Scharfsinn, geübter Denkkraft und unbestechlicher Wahrheitsliebe – lauter nothwendige Eigenschaften für denjenigen, der über Dinge von solcher Wichtigkeit urtheilen soll. Ohne dieselben ist alles Betrachten und Untersuchen vergeblich. Und dabei versteht es sich von selbst, daß eine lange Zeit zu diesem Geschäfte erforderlich ist; man muß das Ganze, aus welchem man wählen soll, vor sich haben und übersehen, muß sodann das Einzelne mehrmals genau betrachten, und mit seiner Entschließung recht bedächtig an sich halten; man darf sich weder durch das Alter eines Lehrers, noch durch sein ehrwürdiges Aussehen, noch auch durch den Ruf seiner Weisheit imponiren lassen, sondern hat sich ganz nach dem Beispiele der Areopagiten zu richten, welche ihre Gerichtssitzungen bei Nacht und Dunkel halten, um genöthigt zu seyn, nicht auf die Redenden, sondern auf das, was sie sagen, zu sehen. Auf diese Weise ist erst eine sichere Wahl der rechten Art zu philosophiren möglich.

Hermotimus Aber auf dieser Welt nimmermehr: denn wenn man es so machen wollte, so würde keines Menschen Leben zureichen, um zu Allen zu gehen, einen Jeden genau zu betrachten, und wenn man Jeden betrachtet hat, sie Alle gegen einander zu beurtheilen, und wenn man sie beurtheilt hat, Einen zu wählen, und wenn man gewählt

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 575. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0575.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)