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nicht heute über diesen, morgen über jenen Satz? Unstreitig das Letztere, da ja der abzuhandelnden Materien so viele sind. Und gewiß hättest du nicht schon ganze zwanzig Jahre bei deinem Meister ausgeharrt, und, ein zweiter Ulysses, in den Labyrinthen dieser Philosophie dich umgetrieben, wenn der Mann stets nur das Nämliche sagte, und es also hinlänglich wäre, dasselbe einmal gehört zu haben.

59. Hermotimus. Da hast du Recht.

Lycinus. Eben so wenig konntest du also gleich das Erstemal, da du seine Philosophie kostetest, eine richtige Vorstellung von dem Ganzen derselben erhalten. Während der Wein, der aus Einem Fasse fließt, stets derselbe ist, waren die Vorträge deines Lehrers immer wieder andere und neue. Also, mein Freund, wirst du entweder das ganze Faß leeren müssen, oder das, was du bis jetzt getrunken, wirkt weiter nichts als einen eiteln Schwindel. Denn es will mich bedünken, daß die Gottheit den ächten philosophischen Schatz ganz auf dem Boden und unter der Hefe versteckt hat. Somit hast du nur die Wahl, entweder dieses Faß bis auf die Neige auszuschöpfen, oder ewig auf den nektarischen Trank zu verzichten, nach welchem du doch schon so lange dürstest. Du hingegen meinst, wenn du auch nur einen schwachen Zug gethan hättest, alsbald der vollkommene Weise zu seyn, der Priesterin zu Delphi gleich, die durch einen Trank aus der heiligen Quelle, augenblicklich gottbegeistert und in den Stand gesetzt werden soll, den Fragenden Orakel zu ertheilen. Aber, wie es scheint, verhält es sich nicht so. Sagtest du doch selbst, du fangest erst an, da du ja schon das halbe Faß ausgetrunken hast.

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 571. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0571.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)