Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

37. Lycinus. Das hätte man allerdings nicht nöthig, wenn man sie wirklich gefunden hätte, oder gewiß wüßte, daß die, welche man gefunden, eben jene vermißte ist, oder wenn überhaupt das Tempelkleinod als solches kenntlich wäre. Allein, mein lieber Freund, für’s Erste sind es nicht bloß ihrer zwei, die in den Tempel gegangen waren, so daß also nothwendig der Eine von Beiden das Gestohlene bei sich haben müßte, sondern es sind ihrer gar Viele. Für’s Zweite ist noch gar nicht ausgemacht, was eigentlich das Vermißte ist, ob eine Schaale, ein Pokal, oder eine Krone: Jeder der Priester nennt etwas Anderes; und nicht einmal in der Angabe des Metalls stimmen sie mit einander überein. Der Eine behauptet, das Vermißte wäre von Erz, ein Anderer, es wäre von Silber, ein Dritter, von Gold, ein Vierter, von Zinn gewesen. Es bleibt also nichts übrig, als Alle, die im Tempel waren, zu durchsuchen: und wenn man auch sogleich bei dem Ersten eine goldene Schaale fände, so müßten nichts desto weniger auch noch alle Uebrigen ausgezogen werden.

Hermotimus. Warum das?

Lycinus. Weil man nicht weiß, ob das Vermißte wirklich eine Schaale ist. Und wenn auch Alle hierin übereinstimmten, so würden doch vielleicht nicht Alle darüber Eins seyn, daß es eine goldene sey. Doch gesetzt, es wäre Thatsache, daß man eine goldene Schaale vermißte, und man hätte wirklich gleich bei dem Ersten eine solche gefunden, so wäre man einer Durchsuchung aller Uebrigen doch noch nicht überhoben. Denn man sieht es der gefundenen nicht sogleich an, ob sie dieselbe ist, die dem Gotte angehört: es giebt ja der goldenen Schaalen noch mehrere.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0552.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)